Punkt eins Die Eisheiligen und die Hitze

Fr, 10.05.  |  13:00-13:55  |  Ö1
Alte Bauernregeln und neue Rhythmen in der Landwirtschaft. Gäste: Univ.Prof. Dr. Josef Eitzinger, Institut für Meteorologie und Klimatologie, BOKU Wien & Alexander Orlik, GeoSphere Austria. Moderation: Barbara Zeithammer. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Pankraz, Servaz, Bonifaz machen erst dem Sommer Platz. Wenn’s an Pankratius friert, so wird im Garten viel ruiniert. Die kalte Sophie macht alles hie. In unzähligen Varianten mahnen Bauernregeln vor den kommenden Tagen, den Eisheiligen von 12. bis 15. Mai. Bis dahin kann es noch Frost geben, weshalb empfindliche Pflanzen erst danach ins Freie gestellt oder gepflanzt werden sollen. Ein Dilemma, denn hatten Bauern früh gesät, konnte der Nachtfrost die Pflanzen zerstören, warteten sie, bestand die Gefahr, eine geringere Ernte einzufahren. Wie steht es um die Gültigkeit der Bauernregeln und die richtigen Zeitpunkte für Säen und Pflanzen in Zeiten der massiven Klimaveränderungen? Das heurige Frühjahr war wie der Winter deutlich zu warm. Februar und März waren in Österreich die bisher wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen vor 257 Jahren und der EU-Klimawandeldienst Copernicus meldete soeben für April als elften Monat in Folge einen globalen Temperaturrekord. Raps, Birne, Apfel, Marille und Wein – die meisten Pflanzen haben heuer zwei bis drei Wochen früher geblüht als üblich – mit drastischen Folgen: Als es vor einem Monat, Mitte April, in weiten Teilen Österreichs einen massiven Wintereinbruch gab, kam es zu großen Frostschäden. Laut Hagelversicherung sorgte der Frost innerhalb von 14 Tagen für zumindest 56 Millionen Euro Gesamtschaden im Obst- und Weinbau. Schon seit Jahren ist zu beobachten, dass die Vegetation früher beginnt und nicht nur Frost ist eine Gefahr, sondern auch zu wenig Niederschlag im April oder Mai, erklärt Josef Eitzinger, Universitätsprofessor am Institut für Meteorologie und Klimatologie der Wiener Universität für Bodenkultur. Der Agrarmeteorologe erforscht die Konsequenzen des Klimawandels auf die landwirtschaftliche Praxis und mögliche Anpassungsmaßnahmen. Ein früher Start in einen warmen Frühling hat vielfältige Auswirkungen, gibt er zu bedenken, so auch auf die Tierwelt (Nützlinge wie Schädlinge), die Bodenerosion und den Wasserbedarf. Bauernregeln, Lostage und Wetterboten beschreiben eine Fülle von meteorologischen Phänomenen und gehen auf jahrhundertealte Erfahrungen mit dem regionalen Wettergeschehen zurück. In bunten, mit Symbolen gespickten Bauernkalendern, die es seit dem 15. Jahrhundert gibt, werden traditionelle Anweisungen für Saat und Ernte vermerkt und verschiedenste landwirtschaftliche Tätigkeiten mit Wettererscheinungen verknüpft. In einer Zeit, in der man weder Temperatur noch Luftfeuchte, Sonnenstunden oder Niederschlagsmengen messen konnte, beobachteten die Menschen das Wetter und die Natur und erkannten Regelmäßigkeiten, aus denen sie ihre Schlüsse zogen. Die Bauernregeln und ihre Gültigkeit sind bemerkenswert wenig erforscht. Bei GeoSphere Austria werden bekannte Bauernregeln wie die Eisheiligen auf den Prüfstand gestellt: „Die Eisheiligen bringen in den meisten bewohnten Regionen Österreichs nahezu nie Frost“, erklärt Alexander Orlik, „aber es gibt einen Zeitraum im Mai, in dem wir mit verblüffend hoher Wahrscheinlichkeit Kaltlufteinbrüche erleben, allerdings nicht zur Zeit der Eisheiligen“. Was zeigen die meteorologischen Daten auf lange Sicht? Welche Ereignisse kann man daraus ableiten? Der markante Kaltlufteinbruch im Mai findet etwa zehn Tage nach den Eisheiligen statt und passt mit einer Kalenderreform zusammen, bemerkt Alexander Orlik. Alexander Orlik und Josef Eitzinger geben Einblicke in das komplexe Zusammenspiel von Licht und Wärme, dem Erwachen der Bäume und Bienen, frühen Blüten und späten Frostnächten und den komplexen Folgen der Klimaveränderungen für Natur und Landwirtschaft. Sie sind herzlich eingeladen, sich mit Ihren Beobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnissen ebenso wie mit Ihren Fragen an der Diskussion zu beteiligen: unter 0800 22 69 79 können Sie uns telefonisch kostenfrei aus ganz Österreich während der Sendung erreichen; oder Sie schreiben uns ein Mail an punkteins(at)orf.at

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