Gedanken für den Tag Wassily Kandinsky: Mystische Kraft

Sa, 14.12.  |  6:57-7:00  |  Ö1
Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien und Präsidentin von Icom Österreich, zum 80. Todestag von Wassily Kandinsky

Im New Yorker Guggenheim Museum gibt es ein Bild von Wassily Kandinsky, das ich besonders mag. Es stammt aus dem Jahr 1926, also jener Zeit, als der russische Maler am Bauhaus in Dessau gelehrt hat und nennt sich „Einige Kreise“.Auf einer nahezu quadratischen Leinwand dominiert ein tiefes Schwarz. Von diesem dunklen Grund heben sich kleinere und größere verschiedenfarbige Kreise, violette, gelbe, rosarote und blaue ab. Auffallend: Manche tragen nochmals eine kleinere, schwarze Kreisfläche in sich oder überschneiden einander, was sie besonders geheimnisvoll erscheinen lässt. Diese Kreise schweben wie Himmelskörper im Bildraum. Sie lassen mich bei all der Freude an der abstrakten Schönheit dieses Bildes an Himmelsdarstellungen oder Modelle des Weltalls denken. Sicher kein Zufall, denn Kandinsky hat zeitlebens versucht, dem Geheimnis der Welt malerisch auf den Grund zu gehen. Am Kreis in seinen „unzähligen Variationen“ habe ihn „das starke Empfinden“ dessen „innerer Kraft“ interessiert, so der Künstler. Kandinskys Kreisbilder faszinieren mich, weil sie wie Andachtsbilder oder Mediationsräume funktionieren. Auch wenn sie abstrakt-geometrisch sind, wirken sie alles andere als kühl. Vielmehr scheinen sie von innen heraus zu leuchten. Sie verweisen auf die tiefere Dimension des Daseins, wie Kandinsky es selbst formuliert hat: „Die Kunst kann nur dann groß sein, wenn sie in direkter Verbindung mit kosmischen Gesetzen steht und sich ihnen unterordnet. Diese Gesetze fühlt man unbewusst, wenn man sich nicht äußerlich der Natur nähert, sondern innerlich.“

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