Punkt eins Orbáns „Osterputz“, Europas Perspektiven

Do, 10.04.  |  13:00-13:55  |  Ö1
Ungarn, 15 Jahre unter Orbán. Und was tut die EU? Gäste: Univ.-Prof. Dr. Patrick Müller, Zentrum für Europäische Integrationsforschung (EIF), Universität Wien und Diplomatische Akademie Wien & Dr. Tobias Spöri, Institut für Politikwissenschaft, Universität Wien. Moderation: Barbara Zeithammer. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Es war ein „Regelverstoß mit Ansage“, konnte man in einem Kommentar lesen: Benjamin Netanjahu war vor einer Woche auf Staatsbesuch in Ungarn, trotz eines im November vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) erlassenen Haftbefehls. Doch Viktor Orbán versicherte ihm im ungarischen Staatsfunk, das Urteil des IStGH werde keinerlei Auswirkungen haben – und kündigte den Austritt Ungarns aus dem Gerichtshof an. Ende Februar protestierte in Ungarn erstmals in der Geschichte die Richterschaft gegen den massiven politischen Einfluss auf die Justiz. Kaum zwei Wochen später hatte Orbán mit einem umstrittenen gesetzlichen Verbot der Pride Parade für Schlagzeilen gesorgt und in seiner Rede zum ungarischen Nationalfeiertag am 15. März beschimpfte er politische Gegner als „Wanzen“ und kündigte einen „großen Osterputz“ für Medien und Justiz an, sowie ein neues Gesetzespaket, „denn die Wanzen haben den Winter überlebt“. Ein Jahr vor den nächsten Parlamentswahlen im April 2026 verschärft Orbán das Klima für Anhänger seines Herausforderers Peter Magyar. Die EU war lange taub, blind und sprachlos, wenn es um Ungarn ging, schreibt die Publizistin Petra Thorbrietz in einem ihrer Kommentare. Wie wird die EU nun auf Orbáns „Osterputz“ reagieren? In Zeiten, in denen Zusammenhalt mehr denn je gefragt wäre? Der estnische Außenminister fand am Samstag klare Worte und fordert, Orbán das EU-Stimmrecht zu entziehen. Seit Jahren liegt Orbán mit der EU im Streit; die Liste der Vorfälle und Mängel ist lang und umfasst u.a. schwerwiegende Missstände in punkto Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsbekämpfung und Budgetkontrolle. Als Ungarn von 1. Juli bis 31.12.2024 die EU-Ratspräsidentschaft inne hatte, hat Orbán nicht nur mit seiner Reisetätigkeit und seinen Alleingängen die Partner brüskiert, sondern auf einem EU-Gipfeltreffen angekündigt, sich an kein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu halten. Zu Jahresbeginn verlor Ungarn mehr als eine Milliarde Euro an EU-Hilfszahlungen, weil Orbán sich weigerte, bis Ende 2024 fällige rechtsstaatliche Reformen umzusetzen. Welche Möglichkeiten hat die EU gegen die Zersetzung der Demokratie durch Mitglieder vorzugehen? Ist das Einstimmigkeitsprinzip überholt angesichts der Entwicklungen in Ungarn und Polen? Mit diesen Fragen befasst sich Dr. Patrick Müller, Professor für Europastudien am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (EIF) der Universität Wien und der Diplomatischen Akademie Wien. Ungarn ist schon seit Jahren keine Demokratie mehr. Orbán hat bereits kurz nach Machtantritt 2010 begonnen, den Staat umzubauen und spricht seit 2014 von einer „illiberalen“ Demokratie. Unser Nachbarland ist ein hybrides Regime, das noch demokratische Elemente enthält, aber zur Autokratie umgestaltet wird, so beschreibt es der Politikwissenschaftler Dr. Tobias Spöri von der Universität Wien. Über die gegenwärtigen Entwicklungen in Ungarn und ihre Folgen für Europa diskutieren Tobias Spöri und Patrick Müller als Gäste bei Barbara Zeithammer mit den Hörerinnen und Hörern von Punkt eins, wenn Sie uns anrufen unter 0800 22 69 79 oder an punkteins(at)orf.at ein E-Mail schreiben.

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