Achim von Borries über Babylon Berlin

Achim von Borries über Babylon Berlin

 Herr Borries, wie sind Sie zu dem Projekt Babylon Berlin gestoßen?
Wir alle drei, Henk Handloegten, Tom Tykwer und ich hatten den Wunsch etwas in dieser Zeit anzusiedeln, das im Film unterrepräsentiert ist. Die Monstrosität der Nazi-Zeit hat alle Aufmerksamkeit auf diese spätere Epoche gelenkt. Was uns vorgeschwebt hat, das war eine Art Sittengemälde über die Weimarer Republik. Im Zentrum Berlin als ein brodelnder Hexenkessel. Aber das ist noch keine Geschichte. Erst mit Volker Kutschers Romanen gab’s da einem Rahmen, der es ermöglichte breiter zu werden. Aber das ist inzwischen schon wieder fünf Jahre her, als wir uns entschlossen haben, uns in einem Schreibraum (writing room) einzuschließen.

Was bedeutet für Sie Berlin?
Berlin für mich persönlich?

Ja.
Berlin für mich persönlich ist die Stadt der Erweckung. Ich bin 1989 hingegangen. In dem Jahr musste man ja doch nach Berlin. Es ist für jeden der kommt eine Stadt mit einem großen Versprechen, eine Stadt, wo man seine Nische finden kann. Berlin ist heute noch und war es speziell in den 20ern die amerikanischste Stadt Europas. Man sprach vom Spree-Chicago auch auf Grund der Verbrechen.

Sie gemeinsam, also zu dritt, haben 3 Jahre an den Drehbüchern geschrieben. Kommt da nicht manchmal Frust auf, dass nicht gedreht werden kann?
Nein, tatsächlich gab's den Frust nicht. Natürlich eine Vorfreude. Die Tage gingen dahin. Und doch wir trafen uns und jeder erzählte, was er erlebt, gelesen, recherchiert hat. Bei drei die schreiben, das ist schon die kleinste Form des Publikums. Jede Idee trifft auf zwei weitere Augenpaare. Und da kannst du schnell ablesen, war die Idee gut oder nicht.

Wie kann man sich so eine Schreibstube vorstellen?
Wir sitzen zu dritt in einem Zimmer. Wir haben die Wände voller Pappen – am Anfang leer. Dann gab es 16 Zahlen. Für jede Episode eine. Dazu unterschiedliche Karteikarten, je nachdem welcher Plot erzählt werden muss. Zum Beispiel Charlotte findet Rath in der Herrentoilette. Dann redet man darüber und plötzlich sind fünfzig Karten rund um diesen Satz. Zum Schluss trennt man sich und sagt okay – du schreibst die ersten 15, du die zweiten und du die dritten Seiten vom Drehbuch. Und dann kommt man wieder zusammen und tauscht sich aus.

Zwischendurch gab es Stimmen, das Projekt einschlafen zu lassen. Erst mit neuen Partnern wie der ARD kam neuer Wind auf. Wie groß war da die Erleichterung?
Für uns stand es nie an der Kippe. Das Problem war, dass das Projekt früh öffentlich wurde. Und wenn nach zwei Jahren nichts passiert, dann wird's in der Öffentlichkeit schnell zur Lachnummer. Natürlich war's  nicht immer ein Spaziergang. Auch was die Finanzierung betraf.

Die Hauptdarsteller Bruch und Fries. Wer hat sie gecastet bzw. ausgewählt?
Wir hatten schon während des Schreibens immer wieder an bestimmte Schauspieler gedacht. Der Volker und die Liv waren da an erster Stelle. Also gingen wir mit 180 Sprechrollen zu einer Casterin. Volker, der ein großer Fan der Romane ist, wollte diese Rolle unbedingt. Unbedingt. Liv und Volker waren die, für die die Rollen geschrieben wurden. Ob sie jetzt bekannt sind oder nicht – egal. Wir wollten die besten.

Wieviel haben Sie von Volker Kutscher gelesen?
Ehrliche Antwort?

Ja!
Die ersten zwei.

Wie man liest, wird an der dritten Staffel geschrieben.
Noch nicht geschrieben, aber wenn Sie Folge 16 gesehen haben, dann werden Sie erkennen, dass es eine ganz Menge an Figuren gibt, die noch nicht zu Ende erzählt sind.

Für Babylon Berlin gab es ein immens großes Budget rund 40 Mio werden kolportiert, für eine TV-Serie. Mittlerweile heißt es, das vorab schon fast alle europäischen Länder und Nordamerika zugegriffen haben. Geht das jetzt schon in Richtung schwarze Null?
Es war weniger, ich glaube es waren 38 Millionen. Ich hoffe trotzdem auf Gewinne für alle Partner. Wer's sieht, sieht auch, dass da Geld drin steckt. Letztendlich hat die ARD pro Sendeminute für die Anteile nicht mehr ausgegeben als für eine Sendeminute beim „Tatort“. Hätte die ARD das alleine stemmen müssen, hätte das wesentlich mehr gekostet.

Wenn man solche Top-TV-Geschichten dreht, gibt es da noch einen Unterschied zu den Kino Blockbustern?
Ich finde nicht. Für uns war es von Anfang an ein großer Kinofilm.

Wie viele haben eigentlich an BB mitgearbeitet?
Wir haben am letzten Wochenende nach Fertigstellung ein Mitarbeiter-Screening aller Folgen gehabt, da mussten wir ein Kino mieten. Es waren, wie ich gehört habe, zwischen 700 und 1.000. Und dazu kommen noch 5.000 bis 6.000 Komparsen.

Ist Babylon Berlin für das Fernsehen so eine Art Zäsur. Ein Aufbruch in eine neue Ära?
Ich hoffe. Die heutige Jugend, die schaut nicht mehr nur lineares Fernsehen. Die haben längst andere Kanäle gefunden. Und dazu kommt, dass sich die Serie neu etabliert hat. Oder wieder etabliert. Die große Serie gab’s schon immer.

Der Unterschied zwischen US-Serien und Babylon Berlin?
Wir sind die klassischen Gestalter, die Filmemacher. Einzigartig ist hier eine lange Erzählung. Aus einem Bach wird ein Fluß, aus einem Fluß ein Strom. Und am Ende unserer Erzählung mündet dieser Strom im Nationalsozialismus. Wir wollen aufzeigen, dass die Nazis 1933 nicht so einfach von den Bäumen fielen. Und das anhand unserer Helden zu erzählen, das wird natürlich eine Wahnsinns-Erzählung.

Borries: Deutschlands größtes TV-Projekt Babylon Berlin startet am 13. 10. 2017 auf Sky. 38 Mio. Euro wurden reingesteckt. Versprechen und Verbrechen in Berlin der späten 20er Jahre.

Achim von Borries im Gespräch mit dem TVButler. Foto: Judith Mayr / Sky
Achim von Borries im Gespräch mit dem TVButler. Foto: Judith Mayr / Sky