nano-Doku: Tsunami-Alarm - Auch an Europas Küsten? Film von Christina Gantner

Fr, 17.01.  |  18:15-19:00  |  3sat
Untertitel/VT  Länge: 45 Min.

Tsunamis sind meterhohe Flutwellen, die plötzlich auftauchen und ganze Küstenregionen zerstören. Am 26. Dezember 2004 zerstörte ein Tsunami im Indischen Ozean die Küsten in über 40 Ländern.

Dabei kamen 230.000 Menschen ums Leben – darunter auch 500 Deutsche. Wissenschaftsjournalistin Lena Ganschow fragt: Könnte eine solche Katastrophe auch in Europa passieren? Und wie gut wäre der Westen darauf vorbereitet?

Tsunamis entstehen zu 80 Prozent durch starke Erdbeben auf dem Meeresboden. Die gibt es aufgrund der tektonischen Situation auch im Mittelmeer. Die Stadt Cannes an der Côte d'Azur ist besonders gefährdet. Bebt vor der Küste Algeriens oder Norditaliens die Erde unter Wasser, könnte die Region rund um Cannes im schlimmsten Fall von einer fünf Meter hohen Flutwelle überschwemmt werden. Ohne Warnung wären die Menschen in der Stadt in Lebensgefahr.

Matthieu Péroche, Geograf an der Universität Montpellier, und Yannick Ferrand, Direktor für Katastrophenmanagement in Cannes, entwickelten ein Warnsystem, mit dem sich Menschen im Ernstfall über ausgeschilderte Fluchtrouten schnell in Sicherheit bringen können. Damit ist Cannes die erste Stadt im Mittelmeerraum, die das Zertifikat "Tsunami Ready Community" von der UNESCO erhalten hat.

Doch nicht nur Erdbeben können einen Tsunami auslösen: Auch Vulkane am und im Wasser haben Tsunami-Potenzial. Wie hoch es ist, erforscht Morelia Urlaub, Professorin für "Marine Geomechanik" vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Dazu reisen sie und ihr Team an den Fuß des aktivsten Vulkans Europas: dem Ätna auf Sizilien. An Bord des deutschen Forschungsschiffs METEOR erkundet Morelia mit spezieller Messtechnik den Ätna unter Wasser, um zu ermitteln, wie sein Vulkanhang abrutscht und wann es zur Bedrohung wird. Neben Vulkanen und Erdbeben gibt es noch einen weiteren Tsunami-Auslöser - und der betrifft auch die deutschen Nord- und Ostseeküsten.

In Cuxhaven trifft Lena Ganschow den Mathematikprofessor Jörn Behrens von der Universität Hamburg. Er erklärt, dass Tsunamis in der flachen Nordsee zwar nicht so groß werden wie im Indischen Ozean, doch für Wattwanderer können sie zur Gefahr werden. Der Auslöser für die bis zu einem Meter hohen Tsunamiwellen liegt im Wetter. Die sogenannten Meteo-Tsunamis können durch ein Tiefdruckgebiet entstehen. Lösen sie sich von der Sturmfront, laufen die Flutwellen auch bei Ebbe über das Watt und reißen selbst schwere Strandkörbe mit sich. 2017 wurde ein Meteo-Tsunami an der Nordseeküste der Niederlande beobachtet und gefilmt. Mathematische Formeln und ein spezielles Computerprogramm können die Wahrscheinlichkeit für Meteo-Tsunamis aber berechnen und auch eine Frühwarnung ausgeben.

Wie das System der Frühwarnung besonders nachhaltig aussehen kann, erfährt Lena Ganschow erneut in Süditalien. Wieder auf dem Ätna, trifft sie die Geophysikerin Charlotte Krawczyk vom Geoforschungszentrum Potsdam und ein deutsch-italienisches Forscherteam. Sie entwickeln ein Glasfaserkabel, das in Kombination mit Lasertechnik kleinste Erdbewegungen über und unter Wasser detektieren kann. So sollen in Zukunft auch Vulkan-Hangrutschungen und Erdbeben in Echtzeit erfasst und damit auch die Auslöser für einen potenziellen Tsunami aufgespürt werden. Da Glasfaserkabel ab 2025 im Mittelmeer für den digitalen Ausbau großflächig verlegt werden sollen, erhoffen sich die Forschenden davon großen Nutzen.

Tsunamis kommen zum Glück selten vor. Doch dadurch werden die zerstörerischen Flutwellen oftmals auch unterschätzt. Anders als der Klimawandel ist das Naturereignis von Menschen aber nicht beeinflussbar. Die einzige Chance ist die Vorbereitung.



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