Diagonal „Ich denke von den Räumen aus.“ – Diagonal zur Person Ersan Mondtag, Theatermacher.
Sa, 25.01. | 17:05-19:00 | Ö1
Zuletzt inszenierte Ersan Mondtag am Burgtheater eine Bühnenadaption von Sibylle Bergs Roman „Vielen Dank für das Leben“. Dieser Titel kann nur als zynische Volte verstanden werden. Sibylle Berg schrieb 2012 einen düster grundierten Roman, der ein großes Panorama der deutsch-deutschen Geschichte aufspannt, das – wie sollte es anders sein – in einem dystopischen Fluchtpunkt mündet. Wie Parsifal, der reine Tor, stolpert Toto durchs Leben, das ihn von einem Waisenhaus in der DDR zu einer gewalttätigen Pflegefamilie bis ins Nachleben der BRD führt. Allein, anders als in der Gralssage warten weder Erleuchtung noch Erlösung. Wer durch das Fitnesscenter des real existierenden Neoliberalismus jagt, hat das Prinzip Hoffnung längst abgeschrieben. Sibylle Bergs Stationentheater der Hoffnungslosigkeit brachte Ersan Mondtag als Musical auf die Bühne. 2024 feierte der Theatermacher dann auch großen Auftritt. Er bespielte mit der israelischen Künstlerin Yael Bartana den Deutschen Pavillon auf der Kunst-Biennale in Venedig. In einer begehbaren Installation erinnerte Mondtag an die Migrationsgeschichte seines Großvaters. Dieser verließ in den 1960er Jahren seine Heimat in Anatolien und kam als Gastarbeiter nach Deutschland. Den Eingang des Deutschen Pavillon, dessen wuchtige neoklassizistische Architektur an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte erinnert, ließ Mondtag mit Erde aus Anatolien zuschütten. „Stranieri Ovunque – Fremde überall“ lautet das Generalthema, das Chefkurator Adriano Pedrosa formuliert hatte: Mit seinem Beitrag öffnete Mondtag ein großes Assoziationscluster, das sich den Spielarten des Fremdseins nähert. Christine Scheucher im Gespräch mit Ersan Mondtag.
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